
Der Döner kam durch Gastarbeiter:innen aus der Türkei in den DACH-Raum.
© Pexels / Mathias Reding
Zum Vorwurf der kulturellen Aneignung in Gastro-Küchen: Eine Auseinandersetzung
Die Gastronomie erweitert sich seit einiger Zeit um eine sensible Dimension, jene der kulturellen Aneignung. Was man darunter versteht, womit sich Köch:innen konfrontiert sehen und was es zu bedenken gilt, wenn man sich von anderen Kulturen »inspirieren« lässt.
von Alexandra Embacher
24. November 2022
Der Döner, eine Berliner Erfindung – so sagt man es. Mit seinem saftigen Dönerfleisch, knackigem Salat und allerhand Gemüse im Inneren des Fladenbrotes begeistert er seit Jahrzehnten, das vor allem in Städten. In Berlin gibt es heute unzählige Döner-Betriebe, das Fastfood in vielen Varianten. Doch was, wenn die Geschichte des »deutschen« Döner Kebabs nicht in Berlin begann? Der Schwabe Nevzat Salim soll nämlich schon 1969 Brot mit Grillfleisch gefüllt und im baden-württembergischen Reutlingen verkauft haben. So oder so: Der Döner Kebab prägt die deutsche (und wohl auch österreichische und Schweizer) Fastfood-Landschaft und gilt als einer der Verkaufsschlager schlechthin. Unbestritten bleibt, dass Gastarbeiter:innen aus der Türkei die Idee mitbrachten und dann das Gericht für den hiesigen Gaumen adaptierten. »Was uns aber stets erspart blieb, ist der bittere Nachgeschmack der Fremdenfeindlichkeit, dem sich die Erfinder:innen des Gerichts niemals entziehen konnten und bis heute kaum können«, regt Sophia Reiterer, wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst, an. Und dabei ist der Döner Kebab nur ein Beispiel von vielen, bei dem Fremdes zu etwas werden kann, das man sich kaum mehr wegzudenken vermag.
Inspiration und/oder Ideenklau
Nun gibt es aber auch Menschen mit anderer Nationalität, die den Döner für sich entdeckt haben und ihn kreativ inszenieren. Dürfen sich andere am Original – soweit sich das ausmachen lässt – bereichern, Geld damit machen? Immer wieder ploppt diese Frage auf. Losgelöst vom Döner Kebab, findet sich im Jahr 2021 ein konkretes Beispiel, jenes der soupe joumou, einer haitianischen Suppe. Ihr stark abgeändertes Rezept wurde im US-amerikanischen Magazin »Bon Appétit« veröffentlicht und löste daraufhin Proteste bei jenem Teil der Leser:innen aus, der haitianische Wurzeln hatte. Auch den britischen Koch Jamie Oliver traf es 2018, als er ein Fertiggericht namens »Punch Jerk Rice« präsentierte. Laute Kritik kam von der britischen Parlamentarierin Dawn Butler, deren Eltern aus Jamaika stammen. So rufe Oliver mit dem Titel des Gerichts Assoziationen zu einer jamaikanischen Gewürzmischung hervor. Im Original aber meint Jerk eine Marinade für Fleisch, keinesfalls für Reis. Der Koch sprach von Inspiration, die Parlamentarierin von kultureller Aneignung.
Berechtigte Diskussion
»In der Gastronomie geht es schon lange nicht mehr nur um Genuss«, macht Klaus Haberkern, Privatdozent für Soziologie an der Universität Zürich und Partner der Aleno AG, klar. Die Diskussion um Cultural Appropriation – oder kulturelle Aneignung – erfasst zunehmend die europäische Gastro-Szene. Doch was meint dieser Begriff? Kulturelle Aneignung beschreibt ein Phänomen, in dem Mitglieder einer »Dominanzkultur« sich einzelner kultureller Errungenschaften wie bestimmten Frisuren, Kleidungsstilen oder eben auch Gerichten bedienen und diese in ihr alltägliches Leben integrieren oder gar Geld damit machen. »Entscheidend dabei ist, dass die Diskriminierungserfahrungen der Kulturen, deren Errungenschaften sich angeeignet werden, unsichtbar gemacht werden«, beschreibt Reiterer. Und als Beispiel: »Ein Kind wird ausgelacht, weil seine weißen Mitschüler:innen das, was sich in dessen Jausenbox befindet, nicht kennen. Sieht diese Person dann Jahre später, wie zwei davon Hummus und Baba Ganoush verkaufen und genau damit Geld verdienen, wofür sie schikaniert wurde, dann ist das ein herber Schlag in die Magengrube.«
Beim Döner könnte man also darüber streiten, ob das Konzept der Cultural Appropriation greift, bei den Beispielen mit soupe joumou und Jerk wird es schwer, dagegen zu argumentieren. Doch: »So wichtig es ist, Ungerechtigkeiten, Ausbeutung, Ausnutzung, Enteignung zu erkennen, das Konzept Cultural Appropriation wirft einige Fragen auf«, argumentiert Haberkern. Zum Beispiel: »Ist der Mechanismus des Ideenklaus nur in einer Richtung nicht ok? Und ist kulturelle Aneignung immer Enteignung?« Er nennt den Zürcher Gastronomen Valentin Diem mit seinen Thai-Pop-Up »Soi Thai« als Best Practice-Modell, denn er habe sich auf Reisen inspirieren lassen, sei offen, verfüge über eine kulturelle Eignung und mache Gäste glücklich. »Schaut man sich an, welche Impulse von Gastronom:innen wie Valentin Diem ausgehen, dann scheint es eher eine kulturelle Entfachung zu sein.« Man könne das auch gut finden, so Haberkern, unabhängig davon, wer es anbiete.
Der Kultur gerecht werden
Wenig verwunderlich, sorgt der Vorwurf der von einigen der Branche ausgehenden kulturellen Aneignung für Diskussion. Dabei muss eines klar sein: »Es geht um die Kapitalisierung von Kulturgütern, ohne die Kultur zu würdigen«, führt Helen Fares, Moderatorin, Bildungsaktivistin und Psychologin, im Gespräch mit jetzt.de aus. Bedient man sich also kulinarischer Kulturen, so soll man diesen auch gerecht werden. Denn für die einen ist es das Picken der Rosinen aus der jeweiligen Kultur, für die anderen ist es Identität, die sie prägt. Fares betont aber, dass sich Köch:innen keinesfalls auf die Küche ihrer eigenen Herkunftskultur beschränken sollten. Und weiter: »Das fände ich völlig traurig und sinnlos. Ich finde es aber wichtig, mit bestehenden Rezepten und den Ursprungskulturen achtsam und respektvoll umzugehen, vor allem wenn Menschen aus diesen Kulturen in Deutschland von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind.« Bewusstsein über das Problem ist also die Grundlage, Respekt das Schlüsselwort und Transparenz eine Notwendigkeit.
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