Beim ÖHV-Kongress richtete man den Blick nach vorne.
© ÖHV / Lechner
Zeitenwende: Die ÖHV betrachtet die Tourismus-Zukunft neu
Tourismusstrategien aus der Zeit vor Arbeitsmarkt- und Gaskrise, Corona und Zinsanstieg sind veraltet. Neue ÖHV-Papiere zeigen die Zukunft des Tourismus in einem neuen Licht.
von redaktion
27. Januar 2023
700 Teilnehmer:innen und 70 Wirtschaftspartner begrüßt die Österreichische Hoteliervereinigung beim ÖHV-Kongress in Salzburg und richtet den Blick bewusst nach vorn: »Corona, Gas-Krise, Arbeitsmarkt-Turbulenzen, Zinsanstieg, Klimawandel: Wir müssen alles neu denken«, verweist ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer auf die Arena Analyse »Die Zukunft des Tourismus: Veränderung gestalten«. 40 Branchenexpert:innen zeigen darin in einer qualitativen Befragung die großen Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft auf. Den Input hat Studienautor Walter Osztovics von Kovar & Partners in fünf Handlungsfelder gegliedert, das ÖHV-Präsidium daraus das ÖHV-Positionspapier 2023 abgeleitet.
Politische Versäumnisse
Auf echte Herausforderungen stießen die befragten Unternehmer:innen und Wissenschafter:innen im Handlungsfeld Betriebswirtschaft: Steigende Kosten und Zombie-Firmen mit hohen stillen Reserven sorgen für Dynamik bei den Eigentümerverhältnissen. Weitestgehend Stillstand herrscht jedoch bei den politischen Entlastungsmaßnahmen: »Da wurde über Jahrzehnte keine Hausaufgabe gemacht. Da muss jetzt etwas weitergehen«, fordert Veit kürzere Abschreibungsdauern, eine Lohnnebenkostensenkung, die Gleichstellung von Eigen- und Fremdkapital und die rasche Auszahlung von COFAG-Geldern und Energiekostenzuschüssen.
Viele Erfolge, noch mehr Hausaufgaben
Auf der Hand liegt der Handlungsbedarf im Spannungsfeld Arbeitsmarkt, wenn selbst verbesserte Saisonnier-Regeln und Tourismusberufe auf der bundesweiten Mangelberufsliste nicht reichen, um den Bedarf zu decken. »Die Politik muss aufhören, Migration mit Gefahr gleichzusetzen«, will Veit neues Denken wie mit den deutschen Fachkräfteeinwanderungs-Gesetzen sehen. Dazu braucht es Kinderbetreuung auch für atypische Arbeitszeiten, weniger Steuern für Vollzeitarbeit, Pensionist:innen und Überstunden, mehr Mobilitätsbeihilfen und Umzugsboni, längere Durchrechnungszeiten für Saisonbetriebe und mehr, sagt er.
Tourismusdigitalisierung in Österreich
In Sachen Digitalisierung habe die Branche einen besseren Ruf verdient: »Der Tourismus brachte Onlinekäufe, Bewertungen und sharing economy in unsere Büros und Wohnzimmer«, erinnert Veit und will die Branche bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz, Virtual Reality und Big Data wieder als Schrittmacher und Taktgeber sehen. Nötig dafür sind Breitband und Leuchtturm-Projekte sowie Förderungen für bessere Schnittstellen zwischen Hotelsoftware und Vertriebs-IT, Payment Providern und mehr. Veit will mehr Digitalisierung in den Lehrplänen, bei der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften und Branchenbeschäftigten, freien Zugang zu Buchungsdaten für Tourismusforschung und Tourismusorganisationen. Auf dem Weg an die Weltspitze müssten zuerst lange liegen gebliebene Aufgaben erledigt werden wie der digitale Meldezettel: »Der wartet seit 20 Jahren darauf.«
Nachhaltigkeitsvorreiter Tourismus
Letztendlich, so der einhellige Tenor unter den Branchenkenner:innen, entscheidet Nachhaltigkeit über die Zukunft des Tourismus. »Dabei sind wir die einzige Branche, die schon jetzt die Klimaziele der Bundesregierung für 2030 übererfüllt«, verweist Veit auf Brancheninitiativen für weniger Plastik und Energieverbrauch und den hohen Anteil grüner Energie. »Und wir werden diese Führungsrolle noch ausbauen. Leichter wäre das freilich mit spürbarem Rückenwind seitens der Politik«, fordert er die leichtere Einspeisung von Grünstrom, raschere Bewilligungen für Windräder, flächendeckend E-Ladesäulen, unkomplizierte Förderungen für Umweltinvestitionen, bessere Zugverbindungen und vor allem ein Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit im Tourismus.
Der Tourismus hat Zukunft
Die Expert:innenen orten Handlungsbedarf auf allen Ebenen, die ÖHV trägt dem Rechnung, wo sie kann, von Betriebswirtschaft und Wissensmanagement über Nachhaltigkeit bis zu Digitalisierung. Was sie nicht leisten kann, wo die Politik gefordert ist, sei eine Standort- und Klimapolitik aus einem Guss, so Veit: »Dort müssen wir hin. Erledigen alle ihre Hausaufgaben, liegen gute Zeiten vor dem Tourismus«, blickt er optimistisch in die Zukunft: »Tourismus war vor 70 Jahren anders als heute und wird in 70 Jahren wieder ganz anders sein. Aber er wird eine tragende Säule der österreichischen Wirtschaft bleiben. Unternehmen finden einen Weg.«
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