Ein bayrischer Koch fordert mehr Ernährungslehre an Schulen.
© Unsplash / Taylor Flowe
(K)Eine reine Glaubensfrage: Ernährungslehre statt Religionsunterricht?
Schule ohne Religion, dafür mit verpflichtender Ernährungslehre – das fordert ein Koch aus dem bayrischen Maisach. Wer dafür, was dagegen spricht und warum beides sich nicht ausschließen muss.
von Alexandra Embacher
02. November 2022
»Religionsunterricht abschaffen und durch Kochen und Ernährungslehre ersetzen!« Diese starke Ansage macht Denis M. Kleinknecht aus dem »Gasthof Heinzinger« in Maisach. Seine Begründung: »Mittlerweile leben in Deutschland mehr als 51 Prozent der Menschen ohne Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft. Wäre es jetzt nicht am sinnvollsten, über die Ernährungslehre theologische Aspekte zu behandeln? Wir sind uns doch alle einig, dass Essen die Grundlage jeglichen menschlichen Lebens ist und gemeinsame Mahlzeiten verbinden.« Immer wieder steht das Fach Religion an Schulen zur Debatte, ein Argument: Es sei nicht mehr zeitgemäß.
Ein Tausch von Religion gegen Ethik wird an dieser Stelle oft gefordert – und Kleinknecht bringt nun eben seine Idee ein: »Ich habe mich mit dem Lehrplan hier in Bayern befasst und feststellen müssen, dass in der Grundschule gleich dreimal 45 Minuten Religionsunterricht, dafür aber nur an manchen Schulen und wenn überhaupt einmal pro Monat etwas über Ernährung angeboten wird.« Wobei sein neues Unterrichtsfach nicht Ernährung oder ähnlich hieße, sondern als Humanismus betitelt werden solle. »Die theologischen Aspekte kann man problemlos mit einfließen lassen«, konkretisiert er und bringt die kulinarische Komponente ins Spiel: »Zu jedem Feiertag und aus jeder Religion soll es lokale Spezialitäten geben, die man im Unterricht zubereitet und dabei eben über diese Feiertage, deren Bedeutung, Geschichte und Theologie spricht.« Zu jedem praktischem Teil gehöre eben auch ein theoretischer.
Mix aus beidem
Der Religionsunterricht und die Ernährungsbildung – beides wird bereits an deutschen Schulen angeboten. Der eine um einen Beitrag zur Normen- und Werteerziehung der Jugendlichen, »indem er biblische Erfahrungen zum Verstehen und Bewältigen der Arbeits- und Berufswelt erschließt«, leistet und die andere, um eben genannten »unterschiedlich ausgeprägtes Basis-, Struktur- und Orientierungswissen zu Ernährung und Gesundheit, um im Alltag bewusste Entscheidungen für eine gesundheitsorientierte Ernährung und Lebensweise fällen zu können« mitzugeben – so ein Bericht respektive Beschluss der Kultusministerkonferenz.
Was stört den bayrischen Koch also konkret? Für ihn bleibt klar: »Sicherlich ist Religion ein wichtiger Baustein in unserer Gesellschaft, die sich jedoch gerade die letzten 20 Jahre sehr dynamisch wandelt. Der Lehrplan jedoch nicht.« Er argumentiert weiter, dass Kinder beziehungsweise Jugendliche heute zu wenig über Ernährung wüssten, bereits bei den Eltern mangle es an dieser Kenntnis. Und die Vorteile seiner Idee lägen klar auf der Hand: »Kinder lernen ein Miteinander und deutlich mehr von anderen Kulturen und Religionen sowie gesunde Ernährung, Nachhaltigkeit und Umwelt beziehungsweise Klimaschutz. Das würde für uns als Gesellschaft weniger kranke Kinder oder später dann Erwachsene durch richtige Ernährung bedeuten.«
Ein Wunsch mit Hindernissen
Ganz so einfach ist es jetzt aber nicht, ein Schulfach durch ein anderes zu ersetzen, wie Tobias Funk aus dem Sekretariat der Kultusministerkonferenz in Berlin weiß: »Der Religionsunterricht ist an den öffentlichen Schulen der meisten Länder ordentliches Lehrfach und er wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.« Konkret hat diese Regelung zur Folge, dass Religionsgemeinschaften bei der Gestaltung der Lehrpläne, der Auswahl der Lehrbücher und der Bestellung der Religionslehrer:innen ein nicht minderes Mitspracherecht haben.
In diesen Ländern ist der Religionsunterricht aber kein ordentliches Pflichtfach. Vielmehr erteilen die Religionsgemeinschaften den schulischen Religionsunterricht hier eigenverantwortlich und als zusätzliches freiwilliges Fach. »Auch wenn der erwähnte Vorschlag nicht nur auf die Einführung eines neuen Faches abzielt, sondern gleich auch einen Vorschlag enthält, worauf in der Stundentafel der Schulen verzichtet werden könnte, so dürfte es angesichts der aktuellen Rechtslage nicht einfach sein, den Religionsunterricht zugunsten eines anderen Faches zu ersetzen«, so Funk weiter.
Aufmerksamkeit für das Thema
Und überhaupt: Befürchtet Kleinknecht keinen öffentlichen Aufschrei, wenn Religion aus dem Klassenzimmer verbannt würde? »Selbstverständlich ist meine Aussage äußerst reißerisch, wenn nicht gar populistisch, wenn man nicht über die Schlagzeile hinaus liest«, scheint er sich der Kontroverse seiner Forderung bewusst zu sein. »Eine Aussage wie diese erweckt jedoch genau jene Aufmerksamkeit, welche es benötigt, um etwas verändern zu können.« Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Österreich hat sich übrigens trotz zweimaliger schriftlicher Anfrage nicht zu der Thematik äußern wollen.
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