Russell Jones ist Gründer der multisensorischen Designagentur Sensory Experiences.
© Sensory Experiences
von Nicola Afchar-Negad
16. Januar 2023
PROFI: »Es ist bekannt, dass sich Farben – zum Beispiel von Geschirr – auf das Geschmacksempfinden auswirken. Aber Musik? Warum hört man so wenig von dieser Art des Pairings?
Russell Jones: Ich denke, das hat damit zu tun, dass es abstrakter wirkt. Wir wissen, dass wir »mit den Augen essen« und verstehen, dass die Optik wichtig ist. Dass Sound den Geschmack ändern kann, ist schwer zu fassen, zumindest bis wir verstehen, dass alle Sinne miteinander verknüpft sind. Keiner unserer Sinne arbeitet allein.
Sie haben für das »Atlantica Dreams Resort & Spa« in Rhodos eine multisensorische Installation entwickelt. Ich sehe drei hängende Cocooning-Sessel, die von der Hotellobby baumeln. Was spielt sich im Inneren ab?
Wir haben diese »Sensory Pods« als ganzheitliche sensorische Erfahrung geplant. Jeder dieser Pods transportiert die Menschen in eine andere Umgebung – zu einem Lagerfeuer, in einen Wald und sogar in die Wolken am Himmel. Wir arbeiten hier mit Visuals, Sound und Aromen. An der Bar kann sich der Gast einen Cocktail ordern, dessen Geschmack genau auf die Szenerie angepasst ist. Ich liebe diese Art von Arbeit! Wir können sogar Kabinen entwickeln, in denen sich die Atmosphäre ändert und die dabei hilft, die einzelnen Geschmacksnoten eines Produkts herauszufiltern.
Wenn man sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt, fällt auf: es geht fast immer um Wein oder zumindest um Getränke. Warum?
Bei einem Glas Wein spielt sich so viel ab in nur einem Schluck, ein großartiges Getränk für diese Art von Experimenten. Whisky funktioniert auch gut. Aber prinzipiell gibt es keinen Unterschied zum Pairing mit Essen.
Wie matcht man jetzt Wein zu Musik, worauf sollte man achten?
Zuerst muss man die Emotionalität des Songs dem Charakter des Weins anpassen. Ein leichter frischer Weißwein funktioniert mit positiver, schneller Musik. Ein kräftiger Roter verlangt nach dramatischer Musik mit einer gewissen Tiefe. Dann geht es um die Instrumente, den Ton der Musik. Beispiel: hohe Klaviertöne streichen die Süße hervor, während krächzende Posaunen eher die Bitterkeit betonen.
Das klingt kompliziert.
Ich mache Ihnen Vorschläge: Blondies »Heart of Glass« passt zu einem Grünen Veltliner. »This must be the Place« von Talking Heads kombinieren Sie mit einem Blaufränkisch.
Und was, wenn ich als Gast Blondie einfach nicht leiden kann? Sprich: wie wichtig ist der persönliche Musikgeschmack?
Deswegen sind meine Vorschläge eben genau das: Vorschläge. Sie müssen Ihr persönliches Äquivalent finden. Genau deswegen verwenden wir auch eher Sounds als Songs. Also Vogelgesang, um florale Noten hervorzubringen. Diese Geräuschkulissen haben einen universellen Aspekt. Oder haben Sie zum Beispiel schon einmal jemanden sagen hören, dass er den Sound des Ozeans nicht mag?
Reicht es eigentlich, wenn ich nur einen zusätzlichen Sinn stimuliere – oder ist das vielleicht sogar besser?
Nein, so viele wie möglich! Wir sind multisensorische Wesen! Aber solange man sich mit Bedacht um ein oder zwei Sinne bemüht, ist das immer noch besser, als ihnen gar keine Aufmerksamkeit zu schenken.
Russell Jones
(Großbritannien) ist Gründer der multisensorischen Designagentur Sensory Experiences. Mithilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse berät er Brands wie Heineken, Marmite oder Tui in Sachen immersive Erlebnisse – ein Top-Thema unserer Zeit.
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