Der Gründer der Kopenhagener Flavor Company Empirical, Lars Williams, ist bekannt für außergewöhnliche Spirituosen. © Andreas Omvik

Der Gründer der Kopenhagener Flavor Company Empirical, Lars Williams, ist bekannt für außergewöhnliche Spirituosen.

© Andreas Omvik

Hochprozentig innovativ: Faszinierende Aromenbandbreite der Natur in einzigartigen Spirits

Fisch, Brot, Spargel: Viele Brenner:innen destillieren abseits bekannter Klassiker wie Birne und Wacholder. Das Ergebnis sind außergewöhnliche Spirituosen, mit denen sie ihr Können und ihre Kreativität eindrucksvoll unter Beweis stellen.

von Sonja Planeta
12. August 2022

Es klingt nach dem Stoff für einen Krimi: Ein deutscher Bio-Landwirt reist nach Russland, um in der Wawilow-Saatgutbank in St. Petersburg eine verschollen geglaubte Linsensorte abzuholen. Sein Name: Woldemar Mammel. Über Jahrzehnte suchte der als »Linsenpapst« bekannte Baden-Württemberger nach der »Alb-Leisa«, die er 2006 schließlich fand und auf die Schwäbische Alb zurückbrachte, auf der sie bis in die 1960er Jahre heimisch war. Heute wird die Linse von rund 110 Betrieben einer Öko-Erzeugergemeinschaft angebaut, was wiederum Brenner Peter Day von der mühle4 aus Kempen am Niederrhein auf den Plan rief. Day, bekannt für seine Vorliebe für stärkehaltige Stoffe wie Dinkel, destilliert aus den Hülsenfrüchten exklusiv für das Freimeisterkollektiv einen aromatischen Linsenbrand mit pfeffrigen und floralen Noten in der Nase, der geschmacklich an Kirsche und Aprikose erinnert. Der Brand war bisher schon eine Rarität und schnell vergriffen, nach einem Ernteausfall im vergangenen Jahr wird man sich bis zur nächsten Charge allerdings noch länger gedulden müssen.

Die Zukunft der Branche liegt in der Hand von Brenner:innen, die es verstehen, die faszinierende Aromenbandbreite der Natur in einzigartige Spirits zu verpacken.

Nachhaltige Spirits aus Altbrot

Im Überfluss gibt es hingegen altbackenes Brot, was bitte nicht als Jubelmeldung verstanden werden darf. Vielmehr braucht es innovative Lösungen zur Weiterverarbeitung, so wie jene von Doris und Josef Farthofer aus dem österreichischen Mostviertel. Bereits seit 2013 stellt das Bio-Brenner-Duo Brotschnaps her. Dieser basiert auf einer Zusammenarbeit mit der bayrischen Biohofbäckerei von Nikodemus Gottschaller, der auf der Suche nach einer geeigneten Verwertung für Brot vom Vortag war. Die Idee, selbiges zu destillieren, kam ihm während eines beruflichen Aufenthaltes in Moskau, wo er erstmals »Kwass« kostete, ein traditionelles ostslawisches, kohlensäurehaltiges Erfrischungsgetränk, das durch Gärung aus Wasser, Roggen und Malz gewonnen wird. Doris und Josef Farthofer halfen ihm, sein Vorhaben umzusetzen. »Brot ist kein Wegwerfartikel. So sehen wir es und so sieht es auch Nik Gottschaller. Er spendet zwar an soziale Tafeln, trotzdem bleibt ihm viel Brot übrig, das am Abend nicht mehr verkauft werden kann. Also haben wir angefangen, dieses Brot zu sortieren, zu zerkleinern und zu verarbeiten. Es ist uns nicht auf Anhieb gelungen, denn auch wir haben bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst, wie man Brot richtig zum Destillat verarbeitet. Nach einigen Anläufen hat es aber doch geklappt und wir haben zwei verschiedene Brotschnäpse erzeugt, einen aus hellem und einen aus dunklem Brot«, erklärt Doris Farthofer.

The Plum © Dashti Jahfar
The Plum, ein Destillat aus Pflaumenkernen 
© Dashti Jahfar

Mittlerweile wird nur noch die »dunkle« Variante hergestellt, dafür wurde das Sortiment kürzlich um drei neue Premium-Brotspirituosen erweitert. Moritz Aschauer von der gleichnamigen Bäckerei in Pabneukirchen im Mühlviertel wurde durch Recherchen auf die Farthofers und ihre Erfahrung mit Brot-Destillaten aufmerksam. Das Trio traf sich erstmals Ende 2019; dann kam Corona und ausreichend Zeit, um gemeinsam Rezepturen für Gin, Wodka und Ouzo zu entwickeln, die aus Krustenbrot hergestellt werden. Farthofer: »Die Spirituosenverordnung verbietet es, aus Brot Wodka, Gin und Ouzo herzustellen. Brot gilt hier nicht mehr als Lebensmittel landwirtschaftlichen Ursprungs. Was etwas eigenartig ist, aber es ist so. Laut Verordnung sind es Brotspirituosen oder Spirituosen aus Altbrot. Und so nennen wir unsere Kreationen auch. Wir haben lediglich einen Kunstnamen für das Schmucketikett entwickelt – Brotka, Brotuzo und Brotginsky, sodass man versteht, um welche Kategorie es sich handelt.« Der Brotka wird wie Wodka ganz hoch, sprich 50-fach destilliert, damit er sauber, weich und neutral schmeckt. Beim Brotginsky werden Botanicals im Brotdestillat mazeriert und dann nochmals destilliert, damit die Wacholdernote und der erfrischende Duft und Geschmack des Gins hervortreten. Der Brotuzo wird mit Anissamen verfeinert. »Für uns ist wichtig, dass Brot wertgeschätzt wird. Leider können wir das Konsumverhalten nicht ändern, wir hoffen aber, mit unseren Destillaten entgegenwirken zu können, indem wir das alte Brot wieder in die Genusswelt zurückholen und die Wertschöpfungskette verlängern. Josef Zotter und Wolfgang Stix haben unseren Brotschnaps sogar für ihre Brotschokoladen verwendet. Wenn kreative Köpfe zusammenkommen, entsteht immer etwas Neues und das unterstützen wir gerne.«

Schnaps aus Fisch

Kreative Köpfe stehen auch in der Kopenhagener Experimental-Destillerie Empirical an der Brennblase. Die Gründer Lars Williams und Mark Emil Hermansen, die zuvor unter anderem im »Noma« und »The Fat Duck« tätig waren, sind bekannt für außergewöhnliche Destillate, etwa aus Chilischoten (Ayuuk) oder Pflaumenkernen und Ringelblumen (The Plum, I Suppose). Aktuell macht das Duo mit einer Fisch-Spirituose von sich reden, die auf Katsuobushi basiert – besser bekannt als Bonitoflocken. Diese stammen vom japanischen Katsuobushi-Produzenten Sezaki Yusuke, der mit seinem Unternehmen Kaneshichi weltweite Anerkennung erfährt. Für die streng limitierte Sonderedition »Empirical X Kaneshichi« werden die Bonitoflocken in einem vakuumdestillierten Ferment aus Gersten-Koji und gemälzter Gerste mazeriert, erneut destilliert und anschließend zwei Wochen lang in alten Cognac-Fässern gelagert. Das Ergebnis ist umami pur.

Altbackenes Brot gibt es im Überfluss. Anstatt es wegzuwerfen, braucht es innovative Lösungen zur Weiterverarbeitung. Eine davon ist Schnaps.

Gemüse und Pseudogetreide

Außergewöhnlich sind aber auch die handwerklich produzierten Spirituosen von Edelbrenner Georg Hiebl, der wie Doris und Josef Farthofer im Mostviertel zu Hause ist. Hiebl, der seit 1996 auf einem über 300 Jahre alten Vierkanthof destilliert, verwendet neben klassischem Obst wie Äpfel, Birnen und Zwetschken auch Gemüsesorten wie Rote Bete, Spargel, Karotte, Paprika, Bärlauch, Topinambur, Süßkartoffel, Kürbis oder Steinpilz. Auch Reisschnaps und Wodka aus Quinoa und Amaranth finden sich in seinem Sortiment. Für den Wodka destilliert Hiebl das Pseudogetreide in kleinen Batches in einer Kupfer-Brennblase, die für die Herstellung von Obstbränden konzipiert wurde. Im Gegensatz zu industriell hergestelltem, meist geschmacksneutralem Wodka, schafft er es dadurch, den sensorischen Charakter der Zutaten herauszuarbeiten. Das klingt jetzt zwar weniger nach Krimi, dafür aber umso mehr nach zukunftsweisenden Geschichten von Brenner:innen, die es verstehen, die faszinierende Aromenbandbreite der Natur in außergewöhnliche Spirits zu verpacken.

Erschienen in

Falstaff Profi Magazin

Nr. 03/2022

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