
Auch die vermehrte Aus- und Weiterbildung steht auf dem Plan.
© Shutterstock
Ein Personal-Manifest, das aufhorchen lässt
Wie das Gastgewerbe wieder mehr Mitarbeitende findet? Antworten auf diese Frage kommen von der Schweizer Hotel & Gastro Union, die einen Forderungskatalog aufgesetzt hat.
von Alexandra Embacher
11. Mai 2022
Der Hotel & Gastro Union reicht es: Tiefe Löhne, unattraktive Arbeitszeiten und fehlende Wertschätzung sind in vielen Fällen Ursachen für den gravierenden Personalmangel in Gastronomie und Hotellerie – Schritte, um dem entgegenzuwirken, werden bislang aber keine (großen) gesetzt; obwohl das Bewusstsein für die Herausforderungen da wäre, wie Roger Land, Leiter des Rechtsdienstes, beschreibt: »Dass die Branche eine Tieflohnbranche ist, Defizite in der Ausbildungsowohl bei den Arbeitgebern wie auch den Arbeitnehmern hat, die Arbeitszeiten attraktiver gestaltet werden müssen und die Führungsqualität sowie die Wertschätzung und damit das Arbeitsklima gefördert werden muss, sollte im Großen und Ganzen unbestritten sein.« Deshalb stellt die Schweizer Berufsorganisation nun einen eigenen, neuen Forderungskatalog auf, »damit nicht noch mehr Fachkräfte die Branche verlassen und junge Menschen für Berufe im Gastgewerbe wieder begeistert werden können«. Ein auf einer Mitgliederumfrage basierendes Manifest, das sich gewaschen hat und Forderungen zu Bildung, Lohn, Arbeitszeiten und Arbeitsklima enthält.
Bildung, Bildung & nochmals Bildung
Zunächst aber: An wen richtet sich das Schreiben? »Die Standpunkte und das Manifest sind an alle Branchenangehörige gerichtet«, sagt Lang. »An die Verbände, die Betriebe, die Wirte und selbstverständlich in erster Linie an die Angestellten und unsere Mitglieder.« Dabei sei das Manifest aber kein gewerkschaftliches Schreiben »mit utopischen und klassenkämpferischen Forderungen«, sondern stelle einen Lösungsvorschlag dar, welcher – der Meinung der Union nach – mehrheitsfähig ist respektive noch werden soll.
So startet das Manifest mit der Bildung als einer der ersten Punkte, hier soll vor allem in die unbefristete Fortsetzung der kostenlosen Aus- und Weiterbildung über 2023 hinaus, und die Steigerung der Anforderungen an die Berufsbildner zugunsten der Lernenden, mehr bezahlte arbeitsfreie Zeit für die Teilnahme an Aus- und Weiterbildung, in die verstärkte Teilnahme an Progresso-Kursen für Mitarbeitende ohne formelle Berufsausbildung und Förderung der unternehmerischen Kompetenzen der Arbeitgebenden investiert werden. Apropos Chef: Bessere Führungskompetenz, mehr Wertschätzung und ein angenehmes Arbeitsklima stehen auch auf der Agenda der Hotel & Gastro Union. Raus mit der »Ich bin der Chef«-Mentalität und rein mit mehr Mitsprache. »Wer im Betrieb mitbestimmen kann, identifiziert sich mit diesem«, argumentiert man im Manifest. Reden statt schreien lautet das neue Credo, ein professionelles Human-Resources-Management soll dabei helfen.
Rahmenbedingungen müssen passen
Das, was dem Gastgewerbe immer wieder vorgeworfen wird, sind seine (familien-)unfreundlichen Arbeitszeiten und die oftmals zu geringe Bezahlung. Daher setzt die Berufsorganisation auch hier an und fordert die Einführung von attraktiveren Arbeitszeiten, die unter anderem durch flexiblere Arbeitszeitmodelle erreicht werden sollen. »Es braucht dringend ein Überdenken der Arbeitseinteilung und Arbeitsprozesse«, argumentiert man weiter. Die frühere Bekanntgabe der Dienstpläne und eine damit einhergehende bessere Planung sei Teil der Lösung. Neu sind diese Forderungen der Hotel & Gastro Union im Großen und Ganzen gesehen aber nicht, bereits 2017 fordert der deutsche DEHOGA, die Arbeitszeiten individueller und flexibler auf die Wochentage aufzuteilen.
Eine große Herausforderung sind und bleiben wohl auch die Löhne, bei denen die Union eine generelle Erhöhungen auf allen Qualifikationsstufen und die Würdigung der Berufserfahrung als lohnrelevanten Faktor für zeitgemäß hält. »Mitarbeitende brauchen eine Lohnperspektive«, lautet das Postulat. Die Lohnerhöhung soll an die Konsumenten – wie in anderen handwerklichen Branchen üblich – weitergegeben werden. Legt man diesen Gedanken auf die österreichische Branche um, so stellt sich die Frage, ob sich die durch die Inflation in die Höhe schnellenden Preise nochmals mit Akzeptanz der Gäste erhöhen ließen.
Die neue Struktur macht’s
Zuletzt geht die Hotel & Gastro Union in ihrem Manifest auf die Weiterführung und Vertiefung der Sozialpartnerschaft ein, weshalb der Schweizer Arbeitgeberverband Gastrosuisse die seit Mai 2019 bestehende Verhandlungsblockade endlich aufgeben solle und einen Gesamtarbeitsvertrag im Schweizer Gastgewerbe (L-GAV) verhandeln müsse, »welcher der Branche gerecht wird«. Lang sagt scharf: »Solange GastroSuisse mit ihren Mitgliedsbetrieben die Verhandlungsblockade nicht löst, solange kommt die Branche nicht vorwärts.« Darüber hinaus fordert die Berufsorganisation die Arbeitgeberverbände auf, »ihre Führungsverantwortung wahrzunehmen und zu offensiven Strategien überzugehen, anstatt mit schlechten Anstellungsbedingungen die schwächsten Betriebe zu schützen«.
Mit all diesen Maßnahmen sollen nicht zuletzt die bisherigen Strukturdefizite überwunden werden, finanziell nachhaltige Betriebe die Unterstützung erfahren, welche sie brauchen, um Mitarbeitende zu finden und Arbeitgeber von sich aus genügend Geld für Investitionen zur Seite legen, um attraktive Arbeitsplätzemit entsprechendem Lohn zu schaffen. Inwieweit das Manifest der Hotel & Gastro Union Umsetzung erfährt, wird sich zeigen; für sie selbst sei es schwierig, den Erfolg abzuschätzen. Lang rät aber: »Die Verbände, die Betriebe und die Wirte sollen das Manifest und die Lösungsvorschläge schon aus dem reinen Eigeninteresse, nämlich dem Interesse genügend Personal zu finden, umsetzen.« Denn die Umsetzung der Standpunkte, basierend auf dem Manifest, wird seiner Meinung nach jedenfalls dazu beitragen, den Fach- und Personalkräftemangel zu beheben.
Lesenswert

Bei Viktoria Fahringer herrscht ein Miteinander in der Küche.
© Julian Höck
Fachkräfte
Frischer Wind für die Chefetage
Junge Führungskräfte bringen einen neuen Anspruch in die Branche, der sich von strikten Hierarchien löst und das Zwischenmenschliche in den Vordergrund stellt. Was Chef:in-Sein bei der Generation Y abseits von fachlichem Know-how heißt.

Nachhaltige Bauweise mit modernem Design.
© Alpenhotel Ammerwald
Tirol
BMW Group eröffnet Personalhaus in nachhaltiger Bauweise beim »Alpenhotel Ammerwald«
Das neue Gebäude mit insgesamt 36 Personalwohnungen wurde mit einem hohen Anspruch an Nachhaltigkeit und Wohlfühlatmosphäre in sechs Monaten fertiggestellt. Es ist in Holz-Modulbauweise gebaut, die Mitarbeitenden können nun einziehen.

Küchenpersonal ist aktuell rar. Ein Netzwerk kann helfen.
© mietkoch.net
Fachkräfte
Flexible Personalplanung: Küchenpersonal mieten, wenn man es braucht
Advertorial
Das Netzwerk von mietkoch.net ist eine Möglichkeit, schnell und zuverlässig Engpässe zu überbrücken. Top ausgebildete Fachkräfte unterstützen Gastronom:innen innerhalb kürzester Zeit vor Ort.

Katharina Pirktl, Geschäftsleitung des »Alpenresort Schwarz«
© Simon Fischler
Interview
Talk about mit Katharina Pirktl
Katharina Pirktl, Geschäftsleitung des »Alpenresort Schwarz«, spricht im Interview zu ihrer skurrilsten Reklamation, aber auch zu dem, was Frauen tun sollten.

Die mehr als 55 Auszubildenden der »Living Hotels« sollen wissen, wie wichtig sie im und für das Unternehmen sind.
© Christian Behnke
Nachwuchs
Die »Living Hotels« intensivieren Nachwuchssuche und -sicherung mit neuer Ausbildungsleitung
Die Suche nach dem Berufsnachwuchs wird von Jahr zu Jahr herausfordernder, gerade in der Hotellerie ist man mit dieser Thematik schon länger konfrontiert. Die »Living Hotels« wollen nun mit einer Maßnahme gegen diese Entwicklung vorgehen: Sie haben die Position der Ausbildungsleitung geschaffen und diese mit Sophia Pfundstein besetzen können.

Weniger ist oft mehr: Darum geht es im »Revier Mountain Lodge Lenzerheide« unkompliziert mit kleiner Speisekarte zu.
© Revier Hotels
Fachkräfte
So geht’s: Diese Prozesse können Sie digitalisieren
Die Digitalisierung macht vor wenig halt, so auch nicht vor der Hotellerie. Wie auch Sie es schaffen, auf den Zug der digitalen Möglichkeiten aufzuspringen und Personal effizient einzusparen, lesen Sie in den nachfolgenden fünf Tipps.
Meist gelesen

Generation Smartphone: Bei den »Koncept Hotels« öffnet man bequem per Smartphone Zimmer und Türen im Hotel.
© Koncept Hotels
Fachkräfte
Hotelkonzepte: Die Nische mit reduzierten Services wird größer
Selbst ist der Gast – so könnte man das Prinzip der »Revier Hospitality Group« und der »Koncept Hotels« nennen. Ein Konzept mit Sparpotenzial an Mitarbeiter:innen, die man aktuell ohnehin schwer findet. Plus: Reduzierte Services sprechen eine neue, digitalisierte Gäste-Zielgruppe an, die lieber 24/7 am Smartphone oder Terminal bucht.

Katharina Pirktl, Geschäftsleitung des »Alpenresort Schwarz«
© Simon Fischler
Fachkräfte
Frauenpower: Sind die Mitarbeiter:innen happy – or not?
Ein Privileg und eine Aufgabe: Katharina Pirktl über den Balanceakt der Führung von sich selbst und ihren Mitarbeiter:innen.

Vorsitzender Alexander Aisenbrey, Geschäftsführerin Maria Mittendorfer und Gastgeber Thies Sponholz
© Fair Job Hotels
Hotel
Die Initiative Fair Job Hotels baut Aktivitäten für ihre Partnerhotels stark aus
Der mehr als 100 Hotels aus Deutschland und Österreich mit insgesamt über 13.000 Mitarbeiter:innen und 1.500 Auszubildende umfassende Verein vergrößert sich, wächst in allen Bereichen und verstärkt die Maßnahmen zur internationalen Mitarbeiterakquise. Beim sechsten Partnertreffen im The Fontenay Hamburg zog man Bilanz über Erreichtes und gab einen Ausblick über Vorhaben, die im kommenden Jahr auf der Agenda stehen.

Die geleistete Arbeitszeit muss jetzt registriert werden.
© Brands&People / Unsplah
Fachkräfte
Vertrauensarbeitszeiten vor dem Aus? Arbeitszeiterfassung ist in Deutschland Pflicht
Ob online, per Excel-Liste oder auf einem Blatt Papier: Mit dem Grundsatzurteil 1 ABR 22/21 des Bundesarbeitsgerichts sind Arbeitgebende nun dazu verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die geleistete Arbeitszeit registriert werden kann. Florian Berr, Vice President DACH der Personalmanagement-Software Planday erklärt, was Unternehmen beachten müssen.

Eine gute Work-Life-Balance spielt auch in der Gastronomie eine Rolle.
© StockSnap / Pixabay
Trend
Zeit für mich: 3 Tipps, die zu mehr »Me Time« verhelfen
Gerade der Gastronomie wird eine schlechte Work-Life-Balance für Arbeitnehmer:innen immer wieder nachgesagt. Doch so muss es nicht sein – so geht’s, sich mehr Zeit für sich selbst zu nehmen und eine gesunde Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Freizeit zu finden, ohne dabei auf die Karriere zu verzichten.

Die Nachwuchs-Talente aus den acht Thermen- und Gesundheitsresorts der Vamed Vitality World.
© Lisi Lehner Fotografie
Nachwuchs
Mitarbeiter-Offensive: Vamed Vitality World macht Nachwuchs-Führungskräfte »Fit for the Future«
Neben attraktiven Benefits setzt der Thermenbetreiber Vamed Vitality World vor allem auf Aus- und Fortbildungen für seine Mitarbeiter:innen. Bei einem Training in der St. Martins Therme & Lodge lernte kürzlich eine Gruppe an jungen Talenten aus den acht Resorts, welches Handwerkszeug Führungskräfte der Zukunft brauchen. Als ideale Kommunikationstrainer stellen sich dabei – neben Stabschrecken und Ziegen – Hühner heraus.
Der Newsletter für echte Profis
Be inside and take your chance! Regelmäßige Karriere-Updates aus Gastronomie und Hotellerie, kostenlos in Ihr Postfach!