
Hier noch ein Bier, dort noch ein Wein – ab wann ist es zu viel?
© Unsplash / Louis Hansel
Darf es noch ein Glas sein? Alkohol(-Sucht) und die Gastronomie
Der Gastronomie eilt ihr Ruf voraus: Sie soll eine der Branchen sein, in der Alkohol als ständiger Begleiter gilt. Doch warum soll das so sein – und welche Pflichten und Möglichkeiten haben Arbeitgeber:innen?
von Alexandra Embacher
05. August 2022
»Im Grunde genommen ist ein Restaurant nicht viel anders als ein Coffeeshop in den Niederlanden. Aus einer schön gestalteten Karte kann man aus einer Fülle an Angeboten das bevorzugte Genussmittel auswählen, das berauscht und süchtig machen kann«, stellt Klaus Haberkern, Content Manager und Partner Aleno AG sowie u. a. freier Texter für Smith and Smith Wine Company Ltd, in den Raum. Seine Rede ist von der Weinkarte. Alkohol hebe die Stimmung, mache risiko- und damit auch ausgabefreudiger. »Es zählen der Genuss und der Augenblick, nicht die Folgen«, führt er weiter aus. »Es ist kein Zufall, dass mehr Restaurants auf Fleisch als auf Alkohol verzichten.«
Doch hat die Branche tatsächlich ein Suchtproblem mit Alkohol? Vertraut man auf das Netz, dann mit Sicherheit. In nicht wenigen Artikeln werden alkoholische Getränke als häufiger Begleiter im gastronomischen Arbeitsalltag definiert; auch wenn sie primär für Gäste bestimmt seien, so trinkt nicht selten auch das Personal mit. Der Chefarzt der Hartmut-Splitter-Fachklinik in Berlin, Darius Chahmoradi Tabatabai, sieht in einem bento.de-Artikel aus dem Oktober 2018 vor allem einen Grund für die erhöhte Gefährdung, zum Alkohol zu greifen: Die ständige Verfügbarkeit. Er sagt: »Ist Alkohol am Arbeitsplatz leicht verfügbar, steigt der Reiz, zuzugreifen.« Nicht zuletzt wirke aber auch der Gruppenzwang, der Drang, dazuzugehören. Wobei nicht für jede:n das Risiko gleich groß ist, in eine Abhängigkeit zu rutschen. Wer charakterlich nicht zu Abhängigkeitsverhalten neige, könne risikoarm in Gastronomiebetrieben arbeiten.
Kommt man um das Genussmittel nicht herum?
Wer sich jedoch mit einem »risikobehafteten Persönlichkeitsprofil« konfrontiert sieht, bei dem steigt das Suchtrisiko. Haberkern fragt sich zudem: »Arbeiten in der Gastronomie eher die Menschen, die den Rausch dulden, ihm gar zugeneigt sind, oder kommt man in der Gastronomie nicht um ›Genussmittel‹ herum, nicht ohne aus?« Und weiter: »Suchen sich die Menschen also den Kontext, der zu ihnen passt? Oder macht der Kontext die Menschen passend?« Umfragen proklamieren immer wieder das Problem der Gastronomie mit dem übermäßigen Genuss von Alkohol. Haberkern zitiert die Erkenntnisse des amerikanischen National Survey on Drug Use and Health von 2015, wonach die Beschäftigten im Beherbergungs- und Gaststättengewerbe die höchsten Raten beim suchtspezifischen Konsum, unter anderem von Alkohol (17 Prozent) sowie dem Konsum illegaler Drogen (19 Prozent), im letzten Monat aufwiesen. Mehr als 12 Prozent der Befragten geben an, an fünf aufeinanderfolgenden Tagen mindestens fünf alkoholische Getränke innerhalb von zwei Stunden getrunken zu haben. Damit nicht genug: Bei einer Befragung unter Mitarbeitenden einer großen Restaurantkette wiesen 80 Prozent der Männer und mehr als 60 Prozent der Frauen einen problematischen Alkoholkonsum auf. »Da problematische Konsum-Verhalten und Sucht oft verschwiegen werden, dürften die Raten sogar noch deutlich höher liegen«, mutmaßt er und stellt fest: »In einem Restaurant mit zehn Angestellten sind oft mehrere Alkoholiker:innen beschäftigt.«

© Aleno
Nicht von der Hand zu weisen
2015 machte sich das Gesundheitsamt Graubünden mit der Informations- und Sensibilisierungskampagne »Genussbeiz.ch« daran, Alkoholprobleme am Arbeitsplatz durch Prävention zu vermindern. Ansatzpunkt: Die Bündner Hotellerie und Gastronomie. Das wurde damit begründet, dass sie die Branche mit den meisten Beschäftigten im Kanton sei und Mitarbeitende in Hotels, Restaurants und Bars täglich in Kontakt mit Alkohol kommen würden. »Statt den Alkohol zu verteufeln, haben wir ihn mit der Kampagne als Genussmittel anerkannt«, erklärt Antonia Bundi, Programmleiterin »Bündner Programm Alkohol« beim Gesundheitsamt Graubünden. »Der Konsum soll in Maßen und nur in der Freizeit stattfinden.«
Und überhaupt: Darf man so ohne Weiteres Alkohol am Arbeitsplatz konsumieren? Jein – ein generelles Verbot von Alkohol gibt es hierzulande laut Österreichischem Gewerkschaftsbund nicht, der Konsum im Betrieb kann aber durch eine Betriebsvereinbarung geregelt und aus Sicherheitsgründen verboten werden. Ohnehin dürfen sich Arbeitnehmer:innen vor Dienstantritt, während der Arbeit und in Pausen »nicht durch Alkohol, Arzneimittel oder Suchtgift in einen Zustand versetzen, in dem sie sich oder andere Personen gefährden können«. Auch für Deutschland und die Schweiz gelten ähnliche Regelungen.
Suchtgefahr: Reden Sie darüber!
Doch zu Problemen durch übermäßigen Alkoholkonsum muss es gar nicht erst kommen. Vorgesetzte sollten mit gutem Beispiel vorangehen – also: »Keinen Alkohol oder Drogen während der Arbeit konsumieren«, schlägt Haberkern vor. Zudem sollten Führungspersonen die Wirkung und Gefahren des regel- und übermäßigen Konsums thematisieren. Da das Thema heikel und sensibel ist, bieten sich sowohl Weiterbildungen als auch externe Inputs an. Darüber hinaus können Workflows optimiert und dadurch der Workload minimiert werden, so werde Stress reduziert, der unter anderem zum Suchtmittel-Konsum verleite. »Online-Reservierungssysteme wie aleno helfen die Unterbrechung des Services durch Telefonate zu vermeiden und nehmen zahlreiche Routineaufgaben wie Bestätigungsmails ab«, rät er zur Digitalisierung des Betriebs. »Zudem können die Reservierungen zeitlich gestaffelt werden, so dass die zeitgleiche Ankunft zahlreicher Gäste und damit Stress-Spitzen in Küche und Service vermieden werden.« So oder so: Alkohol wird ein Begleiter in der Gastronomie bleiben – schon alleine der Gäste wegen. Das Personal muss aber nicht problematisch viel konsumieren oder an einer Sucht erkranken. Zentral ist, darüber zu reden sowie zu handeln, anstatt wegzusehen. Programme wie Stepcheck können dabei helfen.
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