Der Spirits-Profi Kan Zuo hat ich intensiv mit Baijiu auseinandergesetzt. © Kan Zuo

Der Spirits-Profi Kan Zuo hat ich intensiv mit Baijiu auseinandergesetzt.

© Kan Zuo

Baijiu: Die erfolgversprechende Spirituose aus China

Baijiu ist die weltweit meistgetrunkene Spirituose, gleichzeitig aber weitgehend unbekannt und verrufen. Ein (scheinbares) Paradoxon, das sich mit Hilfe gewiefter Barkeeper:innen leicht auflösen lässt.

von Sonja Planeta
04. April 2023

Wenn ein Geschmack für Gäste unbekannt ist«, beginnt Barkeeper Kan Zuo, »dann musst du sie über einen sauren oder fruchtigen Drink heranführen.« Gemeint ist in diesem Fall der Geschmack von Baijiu. Der »weiße Alkohol«, wie der Name übersetzt bedeutet, wird nach jahrtausendealter Tradition in China hergestellt und vorwiegend auch dort getrunken. Im Westen kennt man Baijiu hingegen kaum – und wenn doch, verliert man meistens kein gutes Wort darüber. Das liegt zum einen an einem kulturellen Vorurteil. Alkohol ist ein Luxusgut. Das passt mit einer Spirituose »made in China« nicht zusammen. Unterbewusst verbinden wir damit einen billigen Massenartikel. Umso erstaunlicher ist es, dass unter den Spirits-Hersteller:innen in puncto Marktwert längst zwei Baijiu-Brands die Nase vorne haben.

Laut dem internationalen Magazin The Drinks Business waren demnach die Aktien von Kweichow Moutai und Wuliangye Yibin Ende 2020 mit 375 Billionen Pfund mehr als eineinhalb Mal so viel wert wie jene der Spirits-Größen Anheuser Busch InBev, Diageo, Pernod Ricard und Constellation Brands zusammen. Der Preis für die günstigste Flasche Moutai liegt bei 340 Euro. Wird eine Palette nach Österreich geliefert, ist diese binnen kürzester Zeit vergriffen. »Wir können uns gar nicht vorstellen, wie hoch besondere Jahrgänge gehandelt werden«, erzählt Zuo. »Die teuerste Spirituose der Welt ist immer noch Whisky, aber Baijiu rangiert bereits knapp dahinter.«

Fehlende Akzeptanz durch kulturelle Vorurteile

Auch mit dem Geschmack von Baijiu hat der Westen bis dato so seine Schwierigkeiten. Die Ursache dafür liegt im Herstellungsprozess begründet: Baijiu wird fermentiert. Konkret wird rote Hirse (Sorghum), aber auch anderes Getreide wie Reis, Weizen, Mais oder Gerste gedämpft und mit einer Starterkultur aus natürlichen Hefekulturen und Mikroorganismen, genannt Qu, versetzt. Anschließend wird das Gemisch in großen Lehmgruben fermentiert. Je älter und je länger diese Gruben in Verwendung sind, desto reicher ist der Boden an Nährstoffen und Mikroorganismen, die einen Einfluss auf die Komplexität des Baijiu haben. Ist die Fermentation abgeschlossen, wird die Maische in eine traditionelle, chinesische Topfdestille gefüllt und destilliert. Zum Schluss werden verschiedene Chargen miteinander verschnitten. Je höher dabei der Anteil eines Baijius aus der ältesten Grube ist, desto teurer und hochwertiger ist das Endprodukt.

»Nun ist es aber so, dass der Geschmack der Fermentation in Europa weitgehend verloren gegangen ist. Zum Teil fehlt in wirtschaftlich gut gestellten Ländern auch das Verständnis dafür, wie man eine Zutat so lange altern lassen kann. Für sie zählt nur Frischgekochtes. Kulturen, die bis heute fermentieren, in denen sozusagen sehr nativ, sehr ursprünglich gekocht wird, die kommen auch mit Baijiu besser klar«, erzählt Barinhaber Zuo. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Mitarbeiter Christian Wu, aktuell Barmanager im Restaurant »Pho Saigon Kitchen&Bar«, war er im deutschsprachigen Raum drei Jahre lang als Markenbotschafter für Ming River unterwegs. In dieser Zeit hat er verstanden, wo das eigentliche Problem der chinesischen Getreidespirituosen liegt.

Schritt für Schritt zum Baijiu-Genuss

»Die Leute beginnen mit dem falschen Baijiu, der falschen Kategorie. Das ist der chinesischen Gastfreundschaft geschuldet. Sie wollen ihren Gästen immer das Beste, das Teuerste auftischen, im Fall von Baijiu also einen Moutai. Der gehört allerdings zur höchsten und damit geschmacklich anspruchsvollsten Kategorie. Moutai ist sozusagen der Endgegner. Stell dir vergleichsweise vor, du hättest noch nie Whisky getrunken und bekommst einen rauchigen Ardbeg Ten. Whisky wäre ab diesem Moment untrinkbar für dich. Deshalb musst du einen leichten Einstieg wählen.« Also Produkte der Baijiu-Kategorie »Reisaroma«.

Alternativ kann man sich dem Geschmack auch über japanischen Shōchū– oder koreanischen Soju nähern. Die Destillate schmecken ähnlich wie Wodka. Danach geht man über in die Kategorie »Leichtaroma« mit Baijius, die mit etwas länger fermentierten Chargen verschnitten wurden. Sie sind geschmacklich ähnlich anspruchsvoll wie ein fünf- bis achtjähriger Rhum agricole. Erst dann geht es langsam in Richtung »Starkaroma«. Dazu zählt unter anderem Ming River. Baijius dieser Kategorie haben intensive Anis-Noten, Anklänge von Ananas, eine gewisse Salzigkeit und jede Menge Umami. Sie sind vergleichbar mit einem 15- bis 20-jährigen Rhum agricole, um bei dem Beispiel zu bleiben.

Zum Schluss folgt die vierte Kategorie »Soßenaroma« und damit Moutai, dessen Flaschendesign übrigens häufig mit dem kommunistischen Regime assoziiert wird und damit für ein weiteres Vorurteil sorgt. Kan Zuo: »Wenn wir Tequila oder Mezcal trinken, denkt keiner an Politik, Korruption, Unterdrückung oder Drogenkartelle. Aber wenn du mit den Leuten Baijiu trinkst, beginnen sie sofort über Kommunismus und Zwangsarbeit zu diskutieren. Das ist der Grund, warum Hersteller:innen mittlerweile ein neutrales Flaschendesign wählen, um nicht mit politischen Themen in Verbindung gebracht zu werden.«

Geschmacksvielfalt: Weltweit zeigen Barkeeper:innen, was mit Baijiu möglich ist. © Thomas Henry GmbH
Weltweit zeigen Barkeeper:innen, was mit Baijiu möglich ist.
© Thomas Henry GmbH

Baijiu Only-Bar

Hat man sich schließlich eingetrunken, geht es an den Shaker. Die Herangehensweise ist grundsätzlich die gleiche wie bei Cocktails mit Mezcal, Rhum agcricole oder jamaikanischem Rum. Baijiu statt Gin funktioniert hingegen nicht. Was stattdessen möglich ist, zeigen Barkeeper:innen rund um den Globus: Kan Zuo serviert Gästen seiner Wiener Bar »The Sign Lounge« unter anderem einen »Sichuan Pepper Daiquiri« mit Rum, Baijiu, Limette, Zucker, Szechuanpfeffer, Christian Wu im »Pho Saigon« einen »Passion&Rose« mit Rum, Baijiu, Passionsfrucht, Tonkabohne, Vanille, Rosenwasser, Zitrone und Sekt.

Die Berliner Milkpunch Boys Andreas Andricopoulos und Tarek Nixon kombinieren für ihren »Singapore Sling Milkpunch« Baijiu mit Curaçao, Kräutertee, Heu, Kirsch-Brandy, Himbeer- und Ananas-Tepache und Limette und klären den Drink mit Heumilch. Das Team der »The Grid Bar« in Köln rund um Barmanager Marian Krause setzt für seinen Signature Drink »Sichuan Panda« wiederum auf die Kombination aus Baijiu, Yuzu, Karotte und Pandan, während man im »House of Ronin« in Mailand in der Bar »Madame Cheng’s« einen »Shih Yang« aus Baijiu, Asianspiced Cordial, Lycheesaft und Soda mixt.

Auf die Spitze treiben das Thema jedoch zweifellos die Macher von »Hope&Sesame« in China, Nummer 18 der Asia’s 50 Best Bars 2022. In ihrer Zweit-Bar »SanYou«, die im Sommer 2020 eröffnet wurde, kommen ausschließlich Baijius zum Einsatz. Die Barkarte ist nach zwölf (nicht vier) Aromen gegliedert, mit dem Ziel, die unterschiedlichen Charakteristika der Spirituose herauszuarbeiten und damit vor allem einer jüngeren Zielgruppe zugänglich zu machen, die Baijiu meistens nur in Shot-Form und als Getränk der älteren Generation kennt. Demnächst soll ein zweiter Standort eröffnet werden. Das Konzept scheint also aufzugehen.

Erschienen in

Falstaff Profi Magazin

Mär./Mai 2023

Zum Magazin

Lesenswert

© Peter Hruska

© Peter Hruska

Event

Am »Aperitivo Spring Festival« gibt’s die Top-Trends für extravagante Aperitifs und Sommerdrinks

»Liquid Market« lädt am 16. und 17. April zum zweiten Mal zum außergewöhnlichen Afterwork-Event.

Herbert Diess © Privat

Herbert Diess © Privat

Interview

Herbert Diess im Interview: Vom VW-Chef zum Schnapsbrenner, Rinderzüchter und Hotelier

Der ehemalige CEO der Volkswagen AG verrät, was er mit seinen neuen Unternehmen alles vor hat und wie es überhaupt dazu gekommen ist.

Foto beigefügt

Foto beigefügt

Whisky

Ein Wochenende voller Whisky-Genuss: Das war die »Whisky Messe Graz 2024«

Whisky-Enthusiasten aus der ganzen Welt strömten zur »Messe für Whisky, Spirits & more« in der steirischen Landeshauptstadt. 30 Georgier:innen nahmen sogar eine Anreise von 3.500 Kilometern in Kauf, um an diesem einzigartigen Wochenende teilzunehmen.

Dominik Oswald © Soulmate

Dominik Oswald © Soulmate

Cocktails

Dominik Oswald: Ein Blick in die Welt der Cocktails

In einem exklusiven Interview erzählt Dominik Oswald, Barchef im »Soulmate«, von seiner Leidenschaft für Bar-Kreationen, die Bedeutung von Atmosphäre und nachhaltigen Praktiken sowie die aufkommenden Trends in der Bar-Szene.

Daniel Dukic und Geri Tsai © Falstaff/Weninger

Daniel Dukic und Geri Tsai © Falstaff/Weninger

Bar

Ein »Bar-Austausch« zwischen Wien und Kärnten als innovatives Ausbildungsmodell

Daniel Dukic, stellvertretender Barchef des »Hotel Schloss Seefels«, verbrachte den gesamten Februar in der »Tür 7« in Wien und kehrt mit einer neu entwickelten Barkarte an den Wörthersee zurück.

Daniel Süle © Moving Stills

Daniel Süle © Moving Stills

Cocktails

IWCC 2024: Die internationale Cocktail-Elite mixte in Pörtschach

Der »International Winter Cocktail Congress« unter der Schirmherrschaft von Cocktail-Weltmeister Mario Hofferer brachte die besten Barkeeper aus Europa am Wörthersee zusammen.

Meist gelesen

Foto beigestellt

Foto beigestellt

Whisky

Größer, moderner und umfangreicher als je zuvor: Die größte Whisky-Messe Österreichs steigt in Graz

Die »Messe für Whisky, Spirits & more« findet am 22. und 23. März im »Flugzeughotel« im »Novapark Graz« statt.

Philipp Gattermayer © Henkell Freixenet Austria GmbH

Philipp Gattermayer © Henkell Freixenet Austria GmbH

Schaumwein

»Henkell Freixenet Austria« schwimmt auf der Erfolgswelle

Mit einem Marktanteil von 36 Prozent verteidigt der Schaumweinproduzent seine Position erfolgreich.

Roland Grain © Ardgowan Distillerie

Roland Grain © Ardgowan Distillerie

Whisky

»Wir wollen den besten und umweltfreundlichsten Whisky erschaffen«

»Potstill«-Chef Roland Grain ist drauf und dran, sich den Traum einer eigenen Distellerie in Schottland zu erfüllen, die auch noch die erste CO2-negative Brennerei der Welt werden soll.

Mario Hofferer mixt den größten Negroni der Welt. Foto beigestellt

Mario Hofferer mixt den größten Negroni der Welt. Foto beigestellt

Cocktails

»International Winter Cocktail Congress«: Die Stars der Bar-Szene treffen sich in Pörtschach

Die Champions League der Mixology vereint sich wieder beim IWCC im »Hotel Werzers****s«. Barkeeper-Weltmeister Mario Hofferer lädt vom 17. bis 19. März 2024 zur internationalen Cocktail-Winter-Edition ein. Mit hochkarätigen Wettbewerben, kreativen Cocktails und einer exklusiven »Rookie of the Year Competition« für Nachwuchstalente aus österreichischen Tourismusschulen.

»Wein Burgenland«-Geschäftsführer Christian Zechmeister © Weintourismus Burgenland/Maria Hollunder

»Wein Burgenland«-Geschäftsführer Christian Zechmeister

© Weintourismus Burgenland/Maria Hollunder

Wein

»Wein Burgenland« erteilt »Österreichischen Traditionsweingüter« eine klare Absage

Von elitärem Gedankengut im feinen Zwirn ist die Rede. Auch inhaltlich passe das Burgenland mit den Visionen der ÖTW-Winzer nicht zusammen und setzt auf eine klar verständliche Herkunftspyramide für alle Winzer:innen.

Die Große Moschee in Abu Dhabi © David Rodrigo/Unsplash

Die Große Moschee in Abu Dhabi

© David Rodrigo/Unsplash

Alkohol

»Warum zur Hölle nicht«: Abu Dhabi bekommt seine erste Bierbrauerei

»Craft by Side Hustle« ist das erste Unternehmen, das in den Vereinigten Arabischen Emiraten legal Alkohol produzieren darf.

Der Newsletter für echte Profis

Be inside and take your chance! Regelmäßige Karriere-Updates aus Gastronomie und Hotellerie, kostenlos in Ihr Postfach!